Europa-Kriterium Basel — Nachbetrachtung

Von Kurt Kaiser

Der Velo-Club Riehen, gegründet 1934, durch Ernesto Cenci und 9 weitere junge Sportler. Wenige Jahre nach seiner Gründung wagte sich der Verein an das Organisieren von radsportlichen Anlässen. Dies vor allem nach dem Beitritt, 1937, von Otto Vogt. Kaum als Mitglied aufgenommen, meldete er sich freiwillig zur Übernahme des Postens des Aktuars. Zu jener Zeit und dies auch noch nach den Kriegsjahren verzeichnete der Verein tolle sportliche Erfolge.

Das Organisieren von Anlässen für die Förderung des Radsportes wurde in den Statuten fest geschrieben. 1944 hat man sich für die Durchführung der Nordwestschweizer Rundfahrt angeboten. Zweimal musste der Termin verschoben werden (Kriegsjahre - Teilmobilmachung) und erst ein Jahr später, am 27.05.1945, konnte der Anlass stattfinden. Schon bei der ersten Durchführung schrieb die Presse ‚in allen Teilen tadellos organisiert‘

Mit der Organisation der Schweizer-Strassenmeisterschaft 1946 erklomm man eine weitere Stufe als Organisator. Wiederum ein Riesenerfolg sportlich, wie auch organisatorisch. Strecke: Start/Ziel Gundeldingerstrasse-Batterie/Bruderholz-Reservoirstrasse-Reinacherstrasse-Reinach-Therwil-Oberwil-Binningen-Margarethenstich. Profi 14 Rd. 245 km: 1. Hans Knecht, 2. Werner Buchwalder, 3. Ernst Naef. Amateure: 11 Rd. 192,5 km: 1. Oskar Plattner, 2.Hans Hutmacher, 3. Erich Ackermann.

Im Jahr 1947 organisierte man, im selben Jahr, ein kantonales Kriterium und das 1. Resp. 2. Europa-Kriterium (1. EK St. Jakob/SRB beider Basel) an der Schwarzwaldallee. Diese Strecke war bereits renn-erprobt, hatte doch der VC Olympia während zahlreichen Jahren Rennen durchgeführt. Die Durchführung des Europa-Kriteriums war nicht nur für Basel, sondern schweizweit und sogar international ein ‚Highlight‘. Die Schwarzwaldallee-Strecke war international bekannt und bei den Fahrern beliebt. Mit dem Bau der St. Alban-Brücke endete schlussendlich die Benützung dieser idealen Strecke. Zu erwähnen wäre noch, dass im Jahre 1948 der VCR gleich 2 Grossanlässe organisierte, das Strassenrennen (Profi, Amateure) ‚Grosse Mustermesse-Preis‘ und das Europa-Kriterium.

Die Basis des Erfolges in der Durchführung vieler radsportlichen Anlässe war zweifelsfrei die enge Kameradschaft innerhalb des Vereines und die ausgesprochene Verbundenheit zum Radsport. Die Anforderungen an die VCR-Mitglieder waren enorm, in Anbetracht der Fülle der Rennveranstaltungen, welche der Verein in den 40er/50er Jahren organisierte. Zum Glück bestand ein harter Kern, welche den Chef Otto Vogt und auch Ernesto Cenci immer wieder tatkräftig unterstützten. Man muss sich mal vor Augen führen, was die Verantwortlichen und Mitglieder leisten mussten und immer wieder gefordert wurden. Die Kontinuität in den Organisationsgremien der Rennveranstaltungen garantierte den Erfolg.

Zu bedenken gilt auch, dass in die Zeit des Europa-Kriteriums, 1947-1957, noch der Anfang der Basler Hallenradrennbahn fällt (Eröffnung 1954), so wird die Erfolgsgeschichte fast unglaublich. Bei beiden Anlässen der VC Riehen in der Führungsposition.

Natürlich war die Schwarzwaldallee-Strecke, mit breiten Strassen, gutem Zuschauerzugang, eine Bijou einer Rennstrecke und das im Stadtgebiet. Als weiterer Faktor kam dazu, dass die damaligen Schweizer-Fahrer sehr erfolgreich waren und in der Schweiz einen Velo-Boom auslösten. Wer hat nicht als Junge, die Bilder der Radsportgrössen gesammelt und in ein Album eingeklebt? Oder an die Velofabriken geschrieben, um Fotos der Fahrer, möglichst mit Unterschrift, zu erhalten? Während der TdS standen wir Buben am Birsköpfli beim Kiosk, um das ‚Tour de Suisse-Telegramm‘ mit Josef Renggli, um 13 Uhr, über Radio und später im Nachmittag das Etappenresultat mitzuhören.

Bei den Nachforschungen der Geschichte Europa-Kriterium, musste ich leider feststellen, dass ausser den Zeitungsberichten, kaum Unterlagen mit allfälliger Korrespondenz mit Behörden, Sponsoren und Fahrern, vorliegen. Die Fahrerbewerbungen zur Teilnahme am EK hätte sicherlich die eine oder andere interessante Geschichte geliefert. Da ging leider etwas verloren, oder wurde entsorgt. Die Schweizer Fahrer dürften sich per Brief oder Postkarte (so wie wir dies auch in späteren Jahren, für die Rundstreckenrennen, machen mussten) für das Rennen, resp. eine Selektion gemeldet haben. Die renommierten Fahrer haben dies sicher schon damals über ihren Manager erledigt. Einer der bei Verpflichtungen von ausländischen Fahrern mitgemischt hat, dürfte ein gewisser Belgier, A. Versnick, gewesen sein. Der auch später bei den Engagements für die Hallenrennbahn, mit Otto Vogt, in regem Kontakt stand.

Was führte dazu, dass es nach 1957 keine weiteren Rennen als Europa-Kriterium für Berufsfahrer gab? Leider ist es nicht mehr möglich, die damals direkt Beteiligten zu befragen. Aus meiner Sicht gibt es 4 hauptsächliche Gründe. 1. Die Egliseestrecke konnte nicht die Erwartungen erfüllen, die man von der Schwarzwaldallee-Rundstrecke gewohnt war. Organisator, Zuschauer und Fahrer kamen dort vollends auf ihre Rechnung. Schlicht nicht zu überbieten. 2. Die finanzielle Einbusse 1957 und das damit einhergehende Risiko 3. Ablösung einer ganzen Fahrergeneration, die Radsportgeschichte, über Jahre, in höchstem Masse schrieb 4. Sinkendes Zuschauerinteresse.

Über Jahre hinweg gaben sich die Radsportgrössen in der Schwarzwaldallee ein Stelldichein, was von den Zuschauern gewürdigt und honoriert wurde. Um dies noch einmal vor Augen zu führen, mag einer die Startlisten der Austragungen des Europa-Kriteriums durchgehen. Es erübrigen sich weitere Worte, schlicht phänomenal. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle Namen anführen, doch musste ich einsehen, dass die Liste zu lang würde. Der VC Olympia nutzte vermutlich als erster Verein die Schwarzwaldallee-Strecke. Für Amateur-Kriterien und später auch Rennen für Berufsfahrer. Jedenfalls erinnert sich der Schreiber als Bub Rennen hinter Derny-Motoren beigewohnt zu haben, faszinierend.

Nach dem Ende der Europa-Kriterien für Berufsfahrer, 1957 nach Dislozierung ins Eglisee, war Otto Vogt/VC Riehen mit der Organisation von Kant. Rennen, sowie einer weiteren Nordwestschw. Rundfahrt (1965) beschäftigt. Von 1976-1979 gab es ein Europa-Kriterium für Amateure an der Bäumlihofstrasse und danach inizierte er das Riehener Amateur-Kriterium (im Kornfeldquartier), bis 2016, welches 30 Jahre Bestand hatte, nach Otto Vogt unter Leitung der OK-Präsidenten Fredy Vogt, Thomas Schmidlin, Werner Bär und Kurt Kaiser.

Kurt Kaiser, VC Riehen / Radrennclub Basel, 2021